BGH entscheidet zur Bestimmung des Gerichtsstandes beim Transport von unversteuerten Zigaretten

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15. Juli 2025

In einem Fall von Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Einfuhr unversteuerter Zigaretten hat der Bundesgerichtshof zentrale Grundsätze zur Bestimmung des Gerichtsstandes bei Erfolgsdelikten klargestellt. Danach kann sich die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts bei der Einfuhr unversteuerter Ware entlang der gesamten Transportstrecke ergeben.

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage beim Landgericht Lübeck erhoben. Den Angeklagten wurde unter anderem Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO in vier Fällen vorgeworfen. Nach dem Anklagevorwurf sollen sie in Belgien unversteuerte Zigaretten erworben und ohne Anbringung deutscher Steuerzeichen nach Deutschland eingeführt haben.

Das LG erklärte sich zunächst für örtlich unzuständig. Auf sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft stellte das Schleswig-Holsteinische OLG daraufhin die Zuständigkeit des LG fest. Infolgedessen ließ das LG die Anklage zu. In der mündlichen Verhandlung stellte es allerdings das Verfahren auf Rüge der Angeklagten wegen eines Prozesshindernisses nach § 260 Abs. 3 StPO ein.

Auf Revision der Staatsanwaltschaft hob der BGH das Urteil auf und erklärte, dass das LG seine örtliche Zuständigkeit rechtsfehlerhaft verneint habe.

Keine Bindung des LG im Hauptverfahren an die Beschwerdeentscheidung

Der BGH erklärt zunächst, das Einstellungsurteil des LG sei nicht deshalb rechtsfehlerhaft gewesen, weil es von der Beschwerdeentscheidung des OLG abgewichen sei. Die Bindung an die Beschwerdeentscheidung bestehe im Beschwerdeverfahren, nicht jedoch im späteren Hauptverfahren.

Begehungs- und Erfolgsort sind entscheidend für den Gerichtsstand

Gleichzeitig betont der BGH, dass das Landgericht Lübeck im Ergebnis dennoch zuständig gewesen sei. Ein Gerichtsstand sei nach § 7 Abs. 1 StPO bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die Straftat begangen worden sei. Begehungsort sei nach § 9 StGB sowohl der Erfolgs- als auch der Handlungsort und bei Unterlassungsdelikten der Ort, an dem der Täter sich während der Dauer des Unterlassens aufgehalten habe. Da die Anklage sich auf § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO stütze, sei der Erfolgsort maßgeblich – also der Ort, an dem die Steuer hätte entstehen und festgesetzt werden müssen. Dies sei entlang der gesamten Transportstrecke der Zigaretten der Fall gewesen. Die Verpflichtung zur Anmeldung und Versteuerung der Tabakwaren habe fortbestanden, solange der Transport andauerte.

Konkrete Anhaltspunkte für Transit über die A7

Laut BGH gab es hinreichende Hinweise, dass die Täter auf dem Weg vom Grenzübergang zum Bestimmungsort über die BAB A7 fuhren – und damit auch den Bezirk des Landgerichts Itzehoe durchquerten. Dieser Bezirk falle in die örtliche Zuständigkeit des LG Lübeck. Die Feststellung stützte sich auf Standortdaten der Mobiltelefone, die während des Transports benutzt wurden.

Keine willkürliche Handhabung durch die Staatsanwaltschaft

Zudem wies der BGH den Vorwurf zurück, die Staatsanwaltschaft habe ihr Wahlrecht zwischen mehreren Gerichtsständen willkürlich ausgeübt. Zwar liege der Schwerpunkt der angeklagten Taten nicht im Bezirk des Landgerichts Lübeck, sondern vielmehr im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Kiel, wo die Zigarettenlieferungen letztlich an ihrem Bestimmungsort endeten. Dennoch sei die Staatsanwaltschaft nicht verpflichtet, das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Kiel abzugeben. Das ihr zustehende Wahlrecht werde durch das Bestehen mehrerer Gerichtsstände nicht eingeschränkt, eine Pflicht zur Abgabe bestehe daher nicht.

Praxisrelevanz

Das Urteil ist für die Praxis des Steuerstrafrechts und für die Frage der örtlichen Zuständigkeit bei grenzüberschreitenden Delikten von erheblicher Bedeutung. Der BGH stellt klar, dass sich der Taterfolg einer Steuerhinterziehung „perpetuiert“, also fortsetzt, solange die Versteuerung unterbleibt.

Die Pflicht zur Entrichtung der Tabaksteuer entsteht mit dem ersten Besitz der Zigaretten im Inland. Wird diese Pflicht nicht erfüllt, besteht der Taterfolg fort, solange die Zigaretten im Inland weitertransportiert werden. Daraus folgt: Entlang der gesamten Transitstrecke – nicht nur am Ort des Grenzübertritts oder am Zielort – kann ein strafrechtlicher Tatort angenommen werden. Das hat zur Folge, dass mehrere Gerichte entlang der Route örtlich zuständig sein können.


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