Obwohl die Bauabzugsteuer schon seit mehreren Jahrzehnten existiert, ist sie nach unserer Beobachtung eine oft (auch von Steuerberater/-innen) übersehene steuerliche Verpflichtung, deren Nichtbeachtung ernsthafte wirtschaftliche und strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben kann.
Erbringt jemand im Inland eine Bauleistung (Leistender) an einen Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (Leistungsempfänger), ist der Leistungsempfänger verpflichtet, von der Gegenleistung, also dem Rechnungsbetrag, einen Steuerabzug in Höhe von 15 Prozent für Rechnung des Leistenden vorzunehmen (§ 48 EStG).
Beispiel 1 (ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer): Die (deutsche) GmbH U1, die Bauleistungen erbringt, (unter-)beauftragt die (deutsche) GmbH U2 mit Bauleistungen. Nach Abschluss der Arbeiten stellt U2 der U1 für ihre Tätigkeit vereinbarungsgemäß 100.000 Euro in Rechnung. U1 muss daher 15 Prozent davon an das Finanzamt „auf Rechnung“ von U2 abführen und die restlichen 85 Prozent an U2.
Der Leistende kann sich jedoch beim Finanzamt melden, gegebenenfalls eine Steuererklärung abgeben und erhält dann entweder die Bauabzugsteuer in voller Höhe zurück, oder diese wird – sofern eine unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht in Deutschland vorliegt, was jedoch häufig nicht der Fall ist – auf seine Steuerschuld in Deutschland angerechnet.
Ja, wenn die Gegenleistung, also der Rechnungsbetrag, im laufenden Kalenderjahr den folgenden Betrag voraussichtlich nicht übersteigen wird:
ferner wenn eine sog. Freistellungsbescheinigung vorgelegt wird (dazu sogleich mehr).
Die Freistellungsbescheinigung ist die weitere Ausnahme von der Verpflichtung zur Abführung der Bauabzugsteuer. Wird diese zum Zahlungszeitpunkt dem Leistungsempfänger vorgelegt, muss dieser die Bauabzugsteuer nicht an das Finanzamt abführen. Der Leistende erhält somit nicht nur 85 Prozent vom Leistungsempfänger, sondern die vollen 100 Prozent.
Beispiel 2 (ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer): Die (deutsche) GmbH U1, die Bauleistungen erbringt, (unter-)beauftragt die (deutsche) GmbH U2 mit Bauleistungen. U2 legt U1 eine gültige Freistellungsbescheinigung vor. Nach Abschluss der Arbeiten stellt U2 der U1 für ihre Tätigkeit vereinbarungsgemäß 100.000 Euro in Rechnung. U1 muss daher – anders als im Beispiel 1 – die 15 Prozent davon nicht an das Finanzamt „auf Rechnung“ von U2 abführen.
Die Freistellungsbescheinigung muss zum Zahlungszeitpunkt dem Zahlenden, also dem Leistungsempfänger, vorliegen. Liegt dem Leistenden (Zahlungsempfänger) zwar eine Freistellungsbescheinigung vor, wurde diese aber dem Leistungsempfänger nicht vorgelegt, darf dieser nicht auf die Abführung der Bauabzugsteuer verzichten.
Bei Nichtabführung der Bauabzugsteuer oder nicht im zutreffenden Umfang ist ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung (§ 371 AO) oder ein Bußgeldverfahren wegen Gefährdung von Abzugsteuern (§ 380 AO) möglich. Weitere Informationen dazu erhalten Sie hier: DREYENBERG – Ermittlungen zur Bauabzugsteuer
Grundsätzlich beeinflussen sich die Bauabzugsteuer und die Umsatzsteuer nicht gegenseitig, sodass die jeweiligen Steuerarten gesondert zu überprüfen sind. Allerdings liegt in der Regel bei Unterbeauftragung von ausländischen Unternehmen (Leistenden) ein Fall von § 13b UStG (Charge-Reverse-Verfahren) vor. Werden die Umsätze nicht korrekt in den Voranmeldungen bzw. Umsatzsteuerjahreserklärungen gegenüber dem Finanzamt erklärt oder sind die Rechnungen der Leistenden nicht korrekt, ist Ärger mit dem Finanzamt nahezu sicher.
Ja, der Schaden kann geringer gehalten werden, da unseres Erachtens ein zivilrechtlicher Anspruch gegen die Subunternehmen (Leistenden) besteht. Denn die Zahlung des vollständigen Rechnungsbetrags an den Leistenden stellt eine Überzahlung dar. Besteht die Geschäftsbeziehung zum Leistenden fort, sollte geprüft werden, ob eine Aufrechnung mit noch offenen Forderungen des Leistenden möglich ist. Allerdings wird der Rückforderungsanspruch in der Regel deutlich geringer sein als der Haftungsbetrag gegenüber dem Finanzamt, denn für die Bauabzugsteuer ist eine Haftung deutlich über zehn Jahre möglich, während die zivilrechtliche Verjährung in der Regel nur drei Jahre beträgt.
Wir empfehlen dringend, sich unverzüglich steuerrechtlich – am besten von einem Fachanwalt für Steuerrecht mit Erfahrung mit der Bauabzugsteuer – beraten zu lassen. In geeigneten Fällen könnte eine strafbefreiende Selbstanzeige der Ausweg sein. Allerdings sollte eine solche aufgrund der unbedingt einzuhaltenden Wirksamkeitsvoraussetzungen niemals ohne rechtliche Begleitung eingereicht werden. Ansonsten präsentiert man dem Finanzamt sämtliche Beweise für eine Bestrafung auf dem Silbertablett.
Unseres Erachtens ist eine vertragliche Absicherung in (Rahmen-)Verträgen mit den Leistenden nicht nur möglich, sondern geboten. Wichtiger als dies ist jedoch eine Aufklärung der ausländischen Unternehmen, was die Bauabzugsteuer ist, wie mit dieser umzugehen ist, die Hemmschwelle, sich (über einen Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht) mit dem Finanzamt in Verbindung zu setzen, zu reduzieren. Die größte Sorge der Bauunternehmer ist unserer Erfahrung nach, dass ihnen ein großer Schaden entsteht. Meist ist diese Sorge allerdings unberechtigt, denn die Bauabzugsteuer wird im Falle der fehlenden beschränkten oder unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland erstattet. Besteht hingehen eine beschränkte oder unbeschränkte Steuerpflicht, dann sind die Konsequenzen bei Nichthandeln erheblich schlimmer und wirtschaftlich schmerzvoller.
Grundsätzlich sollten sich Bauunternehmen immer eine gültige Freistellungsbescheinigung vorlegen lassen und diese überprüfen. Liegt eine solche nicht vor oder gibt es Zweifel an deren Echtheit, sollte keine Zahlung vorgenommen oder die Bauabzugsteuer an das Finanzamt abgeführt werden. Ferner sollten die (Rahmen-)Verträge angepasst werden, um Rückforderungsansprüche klar zu regeln und Verjährungsvorschriften, soweit möglich, abzubedingen.
Unseres Erachtens ist dies grundsätzlich nicht empfehlenswert, auch wenn der Steuerberater die Bauabzugsteuer übersehen hat. Im Rahmen der Aufarbeitung der Vergangenheit arbeiten wir – auch aus Gründen der Kostenreduzierung – nahezu immer mit dem/der Steuerberater/-in des Mandanten zusammen. Wir werden auch häufig von Steuerberatern/-beraterinnen hinzugezogen, um bei steuerrechtlich besonders komplexen Sachverhalten zu unterstützen. Eine Kündigung sollte aus unserer Sicht nur dann erfolgen, wenn keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr aus Sicht des Mandanten möglich ist.
Die Rechtsanwälte und Steuerberater von DREYENBERG beraten zu sämtlichen Fragen der Bauabzugsteuer:
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