Influencer unter Verdacht – Vorwurf der Steuerhinterziehung

teilen
31. Juli 2025

In den vergangenen Monaten hat die Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen gezielt mit Ermittlungen gegen deutsche Influencer begonnen. Im Fokus stehen insbesondere solche Personen, die ihren Wohnsitz offiziell ins Ausland – etwa in die Vereinigten Arabischen Emirate – verlegt haben, um dort steuerliche Vorteile zu nutzen, obwohl (auch) ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland besteht. Diese Vorgehensweise wird häufig als „Dubai-Masche“ bezeichnet. Sie ist nicht neu und wird nicht nur von einigen Influencern praktiziert. Die „Steuerflucht“ aus Deutschland ist recht häufig und funktioniert in der Regel auch, wenn alle Voraussetzungen dafür eingehalten werden. In der Praxis halten sich aber nicht alle an die Empfehlungen ihrer Berater und „leben“ nicht das, was schriftlich fixiert und/oder dem Finanzamt mitgeteilt wird.

Social-Media-Accounts ausgewertet

Laut Angaben des Landeskriminalamts NRW wurde ein Datenpaket mit rund 6.000 Social-Media-Accounts analysiert. Die Steuerfahndung geht aufgrund der hohen aufgewendeten kriminellen Energie von vorsätzlicher Steuerhinterziehung aus. Die Auswertung hat bereits zu über 200 Strafverfahren in Nordrhein-Westfalen geführt und das ohne Berücksichtigung aller analysierten Datensätze. 

Die Ermittlungsbehörden gehen von einem Steuerschaden in Höhe von etwa 300 Millionen Euro nur in Nordrhein-Westfalen aus. Wie hoch der Schaden deutschlandweit sei, könnte noch nicht abgeschätzt werden, so die Presseberichte. 

Das Land Nordrhein-Westfalen arbeitet dabei mit neuen digitalen Auswertungsmethoden, um auch kurzlebige Inhalte und Zahlungen analysieren zu können. Andere Bundesländer wollen nun nachziehen. 

Typisches Vorgehen bei der „Dubai-Masche“

Der Ablauf ist meist ähnlich:

  1. Influencer melden häufig bereits kein Gewerbe an bzw. melden dieses ab, obwohl die monatlichen Einnahmen teils im fünfstelligen Bereich liegen.
  2. Die Influencer melden sich offiziell in Deutschland ab, wobei die Tätigkeit weiter hauptsächlich in Deutschland erfolgt und/oder der Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt weiter in Deutschland liegen. 
  3. Anschließend erfolgt eine Anmeldung in einem Niedrigsteuerland, wie etwa den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo keine klassische Einkommensteuer erhoben wird.
  4. Gleichzeitig erzielen die Personen weiterhin erhebliche Einkünfte durch Werbedeals, Onlineshops, Affiliatemarketing oder anderen bezahlten Content.
  5. Hinzu kommen geldwerte Vorteile wie Luxusreisen, Kleidung, Autos oder Uhren, die steuerlich nicht deklariert werden, obwohl sie zum zu versteuernden Einkommen zählen.

Unbeschränkte Steuerpflicht auch bei Anwesenheit von weniger als 183 Tagen in Deutschland möglich

Der Irrglaube, dass mit der Abmeldung aus Deutschland auch die deutsche Steuerpflicht automatisch endet, ist weit verbreitet, aber falsch.

Nach deutschem Steuerrecht besteht die unbeschränkte Steuerpflicht nicht nur bei einem Wohnsitz in Deutschland, sondern kann auch durch einen „gewöhnlichen Aufenthalt“ in Deutschland begründet werden. Anders ausgedrückt: Hält man sich regelmäßig und nicht nur vorübergehend bzw. zu Besuchszwecken o.Ä. in Deutschland auf, reicht dies für die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht aus. Zudem kann ein Wohnsitz in Deutschland auch dann vorliegen, wenn man sich in Deutschland abgemeldet hat und keine eigene Wohnung mehr vorhanden ist, aber z.B. dauerhaft über ein Zimmer bei Eltern, Freunde o.Ä. verfügt. Selbst Hotelübernachtungen können einen Wohnsitz in Deutschland begründen. Bei Vorliegen eines Wohnsitzes in Deutschland kommt es auf die tatsächliche Anwesenheit in Deutschland nicht an.

Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthalts besteht insbesondere die falsche Annahme, dass ein Aufenthalt von weniger als 183 Tagen in Deutschland unschädlich sei. Das ist bereits deshalb falsch, weil die sog. 183-Tage-Regel dem Abkommensrecht (Doppelbesteuerungsabkommen) entstammt und nicht für die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach deutschem Steuerrecht maßgeblich ist. Ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland wird bei einem Aufenthalt von mehr als sechs Monaten am Stück stets vermutet, wobei kurze Unterbrechungen nicht berücksichtigt werden. Allerdings können auch deutlich kürzere Aufenthalte einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen bzw. kommt es bei einem deutschen Wohnsitz überhaupt nicht auf die tatsächlichen Aufenthalte in Deutschland an. 

Ob bzw. wann die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland ggf. geendet hat, lässt sich häufig nur schwer bestimmen und nachweisen. Hier kommt es regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt.

Unbeschränkte Steuerpflicht = Welteinkommensprinzip

Besteht eine unbeschränkte Steuerpflicht, gilt grundsätzlich das Welteinkommensprinzip. Das bedeutet, dass sämtliche Einkünfte in Deutschland zu erklären und ggf. zu versteuern sind, auch wenn diese im Ausland erzielt wurden!

Steuerhinterziehung bei Nichtangabe von Einkünften

Wenn eine unbeschränkte Steuerpflicht vorliegt, die steuerpflichtigen Einkünfte aber nicht erklärt werden, kann der Straftatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abgabenordnung (AO) erfüllt sein. Der Strafrahmen der Steuerhinterziehung sieht Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen (in der Regel ab einem Hinterziehungsbetrag von 50.000 Euro) bis zu zehn Jahren, oder Geldstrafen vor. Zusätzlich werden die Steuern und Hinterziehungszinsen in Höhe von 6 Prozent jährlich erhoben. 

Auswirkungen von Doppelbesteuerungsabkommen

Um eine Doppelbesteuerung aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht in zwei Ländern (manchmal sogar noch mehr) zu vermeiden, gibt es zwischen den Staaten häufig Doppelbesteuerungsabkommen. Dort wird geregelt, welchem Staat die Besteuerungshoheit zugewiesen wird und auf welche Art und Weise die Doppelbesteuerung vermieden wird (Freistellung der Einkünfte von der Besteuerung in einem der Staaten oder Anrechnung von Steuern, die in einem Staat gezahlt wurden). Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten besteht aber beispielsweise kein solches Doppelbesteuerungsabkommen, das das deutsche Besteuerungsrecht einschränken würde.

Unabhängig vom Bestehen eines Doppelbesteuerungsabkommens sind alle Einnahmen in Deutschland zu erklären. Selbst wenn Einkünfte durch ein Doppelbesteuerungsabkommen von der Besteuerung in Deutschland ausgenommen werden, sind diese bei der deutschen Steuererklärung anzugeben und werden bei der Bestimmung des Steuersatzes (sog. Progressionsvorbehalt) berücksichtigt. 

Die Regelungen sind komplex und führen regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt. Nicht zuletzt aufgrund der strafrechtlichen Risiken empfiehlt sich die Beratung durch Experten für Internationales Steuerrecht. 

Wegzugsbesteuerung und (erweiterte) beschränkte Steuerpflicht

Auch bei tatsächlicher Beendigung der unbeschränkte Steuerpflicht bedeutet dies nicht, dass keine Steuern mehr in Deutschland gezahlt werden müssen. 

Zum einen hat Deutschland, wie viele andere Staaten auch, Regelungen zur sog. Wegzugsbesteuerung. Die Wegzugsbesteuerung fällt bei Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften (z.B. einer für die eigene Tätigkeit gegründeten UG oder GmbH, aber auch z.B. US LLC) –  wie dem Namen zu entnehmen ist – an, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland endet. Wird diese Steuer unbeabsichtigt ausgelöst, fällt eine oftmals vermeidbare hohe Steuerlast an und es droht ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung, wenn der Sachverhalt dem Finanzamt gegenüber nicht angezeigt wird. Durch eine Beratung zur Wegzugsbesteuerung vor einem geplanten Wegzug kann die Wegzugsteuer ggf. vermieden und steuerliche sowie strafrechtliche Risiken können minimiert werden. 

Gerade bei Influencern kann der Wegzug aber auch zur sog. Entstrickungsbesteuerung (z.B. hinsichtlich des eigenen Namens oder der eigenen Marke) oder ggf. zu einer steuerpflichtigen Funktionsverlagerung führen, wenn die Tätigkeit zukünftig aus dem Ausland ausgeübt wird. 

Auch nach dem Wegzug sind sog. inländische Einkünfte (z.B. aus der Vermietung deutscher Immobilien, aus in Deutschland eingetragenen Marken oder deutschen Beteiligungen) weiterhin in Deutschland beschränkt steuerpflichtig, in Deutschland zu erklären und – vorbehaltlich abweichender Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen – in Deutschland zu versteuern. 

Zudem unterliegen Personen nach ihrem Wegzug unter Umständen der sog. erweiterten beschränkten Steuerpflicht, wenn sie weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland haben. Das ist bei Influencern mit überwiegend deutschem Publikum regelmäßig der Fall.

Nicht zuletzt besteht bei deutschen Staatsangehörigen nach einem Wegzug fünf Jahre lang die erweiterte beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht. Schenkungen und Erbschaften (auch aus dem Ausland) müssen deshalb in Deutschland angezeigt und versteuert werden. 

Möglichkeiten zur Korrektur: Die Selbstanzeige

Wer seinen steuerlichen Pflichten bislang nicht nachgekommen ist, kann durch eine rechtzeitige und vollständige Selbstanzeige Straffreiheit erlangen (§ 371 AO). 

Eine der Voraussetzungen für eine wirksame Selbstanzeige ist, dass sie sämtliche noch nicht verjährte Steuerstraftaten vollständig umfasst. Die gemachten Angaben müssen korrekt und lückenlos sein, und die hinterzogenen Steuern sind einschließlich etwaiger Zinsen und Zuschläge innerhalb der vom Finanzamt gesetzten Frist nachzuzahlen. Darüber hinaus muss man schneller als das Finanzamt sein, denn eine strafbefreiende Selbstanzeige ist nur möglich, wenn die Tat noch nicht entdeckt wurde.

Liegt die Steuernachzahlung bei über 25.000 Euro, scheidet eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO eigentlich aus (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO). Aufgrund einer Spezialregelung (§ 398a AO) wird aber im Ergebnis dennoch Straffreiheit erlangt, die jedoch durch einen sog. Strafzuschlag in Höhe von 10 Prozent (Hinterziehungsbetrag bis 100.000 Euro), 15 Prozent (Hinterziehungsbetrag 100.000 bis 1.000.000 Euro) oder 20 Prozent (Hinterziehungsbetrag ab 1.000.000 Euro) auf die Steuernachzahlung „erkauft“ wird.

Da für strafbefreiende Selbstanzeigen sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt sein müssen und Fehler zwingend zu vermeiden sind, ist die Unterstützung durch auf Selbstanzeigen spezialisierte Rechtsanwälte dringend zu empfehlen. 

Sollte aufgrund fehlender Hinzuziehung eines Experten eine unwirksame Selbstanzeige eingereicht werden, wird die Straffreiheit nicht erlangt, und die Beweise für ein Strafverfahren werden der Finanzbehörde quasi auf dem Silbertablett präsentiert.

Auswertung der Daten noch keine Tatentdeckung

Ab wann eine Tatentdeckung vorliegt, die zum Ausschluss einer wirksamen Selbstanzeige führt, ist hoch umstritten. Dies muss individuell bewertet werden. Aus unserer Sicht dürften jedenfalls die über die Medien verbreiteten Informationen über den Datenankauf noch keine Tatentdeckung begründen. Allerdings kann dies im Einzelfall anders sein. In jedem Fall ist Eile geboten, wenn eine Selbstanzeige abzugeben ist, da bei einer möglichst frühzeitigen Abgabe die Ermittlungen im individuellen Fall noch nicht fortgeschritten sind und somit die bestmögliche Verteidigungssituation erhalten bleibt.

Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung

Ist die Steuerhinterziehung bereits entdeckt, ist eine Selbstanzeige nicht mehr möglich. Dennoch besteht weiterhin die Möglichkeit, durch aktives Mitwirken im Ermittlungsverfahren strafmildernde Umstände zu schaffen.

In bestimmten Fällen kann dadurch sogar eine Verfahrenseinstellung gegen Auflagen oder eine niedrigere Strafe erreicht werden. Eine frühzeitige anwaltliche Beratung durch einen auf Steuerstrafrecht spezialisierten Rechtsanwalt ist ratsam, da umso mehr Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, je früher ein Experte hinzugezogen wird.

Fazit

Das Vorgehen von Influencern, ihren Wohnsitz „auf dem Papier“ ins Ausland zu verlagern und gleichzeitig hohe Einkünfte zu verschweigen, wird zunehmend von der Steuerfahndung verfolgt. Die „Dubai-Masche“ mag attraktiv wirken – steuerlich und strafrechtlich ist sie aber hoch riskant. Die deutsche Steuerpflicht endet nicht automatisch mit dem Wegzug, sondern hängt von vielen tatsächlichen Umständen ab.

Wer rechtzeitig handelt, kann negative Folgen begrenzen oder sogar ganz vermeiden. Wer untätig bleibt, riskiert strafrechtliche Verfolgung und erhebliche finanzielle Belastungen.

DREYENBERG unterstützt im Internationalen Steuerrecht und im Steuerstrafrecht

Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von DREYENBERG sind auf Internationales Steuerrecht und Steuerstrafrecht spezialisiert. Wir beraten Sie, um steuerrechtliche Probleme von vorneherein zu vermeiden und unterstützen Sie, wenn steuerliche Pflichten nicht oder nicht vollständig erfüllt wurden. Sollten die steuerrechtlichen Optionen ausgeschöpft sein, übernehmen die erfahrenen Verteidiger von DREYENBERG gerne Ihre Strafverteidigung und bewerten die zur Verfügung stehenden Optionen, um optimale Ergebnisse für Sie zu erzielen.


Einstieg | Steuerrecht | Internationales Steuerrecht | Steuerstrafrecht
© DREYENBERG
Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB,
Städelstraße 10, 60596 Frankfurt am Main

Durch Klick auf "Einverstanden" werden alle Cookies und Dienste aktiviert, die für den Betrieb der Webseite notwendig sind. Weitere Cookies und Dienste werden genutzt, um externe Inhalte anzeigen und die Zugriffe auf unsere Website analysieren zu können. Um keine Einwilligung zu erteilen oder die Nutzung von Cookies zu personalisieren, nutzen Sie die "Datenschutzeinstellungen".