Ist die Gemeinnützigkeit für Klimakleber gefährdet? Derzeit sind Aktivisten, die sich auf Straßen, Pulten und anderen Objekten festkleben sowie Kunstwerke mit Kartoffelbrei oder anderen Nahrungsmitteln, manchmal auch Farbe, beschmieren in den Medien präsent. Immer wieder liest und hört man davon, den hinter den Aktivisten stehenden Vereinen die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Was ist aber hiervon – unabhängig davon, wie man zu den Klimaklebern steht – zu halten?
Unter dem Gemeinnützigkeitsrecht sind im engeren Sinne steuerrechtliche Vorschriften zu verstehen, die bei deren Einhaltung zu weitestgehenden Privilegien führen. Näheres dazu hier. Zusammengefasst kann man sagen, dass Gewinne bzw. Überschüsse steuerfrei gestellt werden. Diese Privilegien gewährt der Staat aber nur, wenn eben die strengen gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Gemeinnützig werden können nur juristische Personen, also beispielsweise Vereine, GmbHs, Genossenschaften und Aktiengesellschaften, nicht jedoch einzelne natürliche Personen.
Um gemeinnützig zu sein, müssen die satzungsgemäßen Vorschriften und die sogenannte tatsächliche Geschäftsführung den Gemeinnützigkeitsvorschriften entsprechen. Die tatsächliche Geschäftsführung muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein (§ 63 Abgabenordnung). Allgemein anerkannt ist, dass ein Verstoß gegen die Rechtsordnung zum Entzug der Gemeinnützigkeit führen kann. Nicht aber jeder Verstoß führt zum Entzug der Gemeinnützigkeit, denn nicht jeder Verstoß lässt sich vermeiden. Alles andere wäre lebensfremd. So kann eine gemeinnützige Einrichtung es nicht real verhindern, dass ihre Fahrer schon einmal zu schnell fahren und ein Bußgeld zahlen müssen.
Die Frage, ab wann eine gemeinnützigkeitsschädliche Betätigung vorliegt, ist nicht neu. Zuletzt wurde sie diskutiert bei der Aktion von Greenpeace, als ein Gleitschirmflieger in der Allianz-Arena im Jahr 2021 notlandete und dabei zwei Personen leicht verletzte. Bei Campact und Attac, deren Gemeinnützigkeitsstatus ebenfalls öffentlich diskutiert wurde, ging es hingegen um politische Betätigung. Der Fall der Klimakleber ist unseres Erachtens am ehesten mit Tierschutzorganisationen vergleichbar, deren Aktivisten in Tierställe einsteigen und die vorgefundenen Missstände veröffentlichen. Wie auch bei den Klimaklebern divergiert die Rechtsprechung, ob die Delikte wie Nötigung bei den Klimaklebern und Sachbeschädigung bei den Tierrechtsaktivisten gerechtfertigt sind und die Aktivisten sich strafbar gemacht haben. So kam jüngst das AG Freiburg in zwei getrennten Verfahren bezüglich der gleichen Aktion zu einer unterschiedlichen Beurteilung, ob die Aktion verwerflich im strafrechtlichen Sinne sei, mit dem Ergebnis, dass es einmal zu einem Freispruch und einmal zu einer Verurteilung kam.
Die Frage, ob die Aktivisten sich strafbar gemacht haben, ist auch für das Gemeinnützigkeitsrecht relevant. Wenn die Aktivisten gerechtfertigt gehandelt haben, liegt kein Verstoß gegen die Rechtsordnung vor. Insofern wäre auch kein Platz für den Entzug der Gemeinnützigkeit. Haben sie sich hingegen strafbar gemacht, liegt der Entzug der Gemeinnützigkeit näher.
Selbst wenn Letzteres der Fall sein sollte, ist zu klären, ob das Handeln der Aktivisten dem Verein zurechenbar ist. Das ist nicht automatisch der Fall. Im Gegenteil: In der Regel wird das Verhalten nicht zugerechnet. So wird dem ADAC e.V. auch nicht die Geschwindigkeitsüberschreitung seiner Mitglieder zugerechnet. Auch wird die Tat eines Mörders nicht dem Schwimmverein oder Chorverein zugerechnet. Vielmehr muss eine besondere Verbindung bestehen, die ein Zurechnen der Handlung des Vereinsmitglieds dem Verein in der konkreten Situation ermöglicht. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn es einen Klimakleberverein gäbe, der explizit für Klimaklebeaktionen werben würde und deren Mitglieder im Auftrag des Vereins mit Vereinsoutfit ausgestattet gemeinsam an Klimaklebeaktionen teilnehmen würden, während der Klimakleberverein diese noch mit eigenen Mitarbeitern medial begleiten und veröffentlichen würde. In einem derartigen Fall dürfte eine Zurechnung unstreitig sein.
Auch bei Vorstandsmitgliedern ist das Finanzamt unserer Erfahrung nach recht schnell bei der Annahme, dass die Handlungen dem Verein zugerechnet werden können. Unseres Erachtens ist diese pauschale Annahme in ihrer Allgemeinheit zu weit, denn ansonsten würde jedes Handeln eines Vorstandsmitglieds immer seinem Verein zugerechnet werden. Vielmehr kommt es auf den Einzelfall an. Vermehrt teilen die Gerichte unsere Auffassung, dass die Finanzämter oftmals vorschnell die Zurechnung annehmen und die Gemeinnützigkeit in der Folge zu Unrecht entziehen.
Sofern die Angaben in den Medien zutreffen, handelten die bisherigen Klimaaktivisten zwar abgesprochen, aber nicht im Auftrag oder werbend für ihren Verein. Es ist auch kein Klimakleberverein in Erscheinung getreten, mit dem man Klimaklebeaktionen speziell in Verbindung bringt. Es handelt sich offenbar bislang um teils organisierte Aktivisten, die jedoch nicht unter dem Dach eines gemeinnützigen Vereins handeln. Insofern ist der Entzug der Gemeinnützigkeit nicht zu erwarten, denn es fehlt schlicht ein gemeinnütziger Verein. Sollten Aktivisten sich regional in Vereinen zusammengeschlossen haben, wird die Frage sein, inwieweit deren Handeln dem Verein zugerechnet werden kann. Jedenfalls, wenn Vorstandsmitglieder an den Aktionen mitwirken und die Aktionen auch vom Verein mitorganisiert wurden, dürften die Gerichte eine vom Finanzamt unterstellte Zurechnung bestätigen. Ansonsten wird es auf den Einzelfall ankommen und unserer Erfahrung nach vor Gericht nach Abwägung der Gesamtumstände entschieden werden müssen.
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