BGH ermöglicht Zwangsentsperrung von Smartphones per Fingerabdruck

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05. Juni 2025

Bei Wohnungsdurchsuchungen beschlagnahmt die Polizei häufig Smartphones, um die darauf gespeicherten Daten als Beweismittel zu sichern. Schon seit einigen Jahren wird darüber diskutiert, ob die Polizei aus der Strafprozessordnung weitere, über die Beschlagnahme hinausgehende Befugnisse hat. Nun hat der Bundesgerichtshof entschieden und klargestellt: Ermittler dürfen den Fingerabdruck eines Beschuldigten nutzen, um sein Handy zu entsperren.

Hintergrund der BGH-Entscheidung

Ein Mann stand im Verdacht, trotz eines Berufsverbots als Kinderbetreuer über sein Mobiltelefon kindergefährdende Kontakte hergestellt zu haben. Da er sich weigerte, sein Smartphone freiwillig zu entsperren, setzten Ermittlungsbeamte unmittelbaren Zwang ein und legten seinen Finger auf den Sensor des Geräts, um Zugriff auf die gespeicherten Daten zu erhalten.

Der Bundesgerichtshof hat nun bestätigt, dass das Vorgehen der Beamten rechtlich zulässig war.

§ 81b Abs. 1 StPO als taugliche Ermächtigungsgrundlage

Zunächst stellt der BGH fest, dass der Anwendungsbereich der EU-Richtlinie 2016/680 zum Schutz personenbezogener Daten im Strafverfahren eröffnet ist. Bei dem Auflegen des Fingers handele es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ein solcher Eingriff sei aber zulässig, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruhe, einem legitimen Ziel diene und verhältnismäßig sei.

Als gesetzliche Grundlage zieht das Gericht § 81b Abs. 1 StPO heran. Diese Vorschrift erlaubt die Erhebung von Lichtbildern und Fingerabdrücken eines Beschuldigten sowie die Vornahme von „ähnlichen Maßnahmen“. Der BGH betont, dass der Gesetzestext technikoffen formuliert sei. Das erzwungene Auflegen des Fingers auf den Sensor sei als „ähnliche Maßnahme“ zu bewerten – funktional vergleichbar mit der Abnahme eines Fingerabdrucks.

Weiter stellt das Gericht fest, dass die Maßnahme einem legitimen Zweck gedient habe: Sie habe nicht die Ausforschung der Persönlichkeit zum Ziel gehabt, sondern der Sicherung von Beweismitteln im Strafverfahren gedient. Zudem sei die Maßnahme verhältnismäßig gewesen, da keine andere Möglichkeit bestanden habe, Zugriff auf die Daten zu erhalten.

BGH folgt der Entscheidung des OLG Bremen

Mit dieser Entscheidung folgt der BGH inhaltlich dem im Januar ergangenen Beschluss des OLG Bremen, das ebenfalls § 81b Abs. 1 StPO als Ermächtigungsgrundlage für das zwangsweise Auflegen des Fingers herangezogen hatte.

Beide Gerichte stellten außerdem fest, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit vorliegt. Sie führten aus, dass dieser Grundsatz nur den Zwang zu aktiver Mitwirkung verbiete. Er sei nicht verletzt, wenn der Beschuldigte gezwungen werde, eine gegen ihn gerichtete Beweisermittlungsmaßnahme passiv zu erdulden.

Entsperren per Gesichtserkennung auch zulässig?

Ob die zwangsweise Entsperrung von Handys, die mit Face-ID gesichert sind, zulässig ist, hat der BGH nicht ausdrücklich entschieden. Da er jedoch § 81b Abs. 1 StPO als eine „technikoffene“ Ermächtigungsgrundlage versteht, erscheint es nahe liegend, dass diese Norm künftig auch für Entsperrungen mittels Gesichtserkennung herangezogen wird.

Dafür spricht auch, dass der Bundesgerichtshof die Entsperrung per Fingerabdruck als weniger eingriffsintensiv bewertet als die klassische Ermittlung biometrischer Daten, da bei der Entsperrung keine dauerhafte Speicherung der Fingerabdruckdaten erfolgt. Eine ähnliche Bewertung könnte das Gericht auch für die Entsperrung mittels Face-ID vornehmen, da es sich dabei ebenfalls um eine einmalige Maßnahme ohne dauerhafte Speicherung handelt.

Keine Pflicht zur Preisgabe von PIN oder Entsperrmustern

Die Gerichtsentscheidungen erweitern die Befugnisse der Polizei, digitale Beweismittel zu sichern. Wenn das Smartphone des Beschuldigten aber nicht mit einem Gesichts- oder Fingerabdruckscanner, sondern mit einer PIN oder einem Muster gesichert ist, haben Beamte weiterhin keine Möglichkeit, direkt auf die Daten zuzugreifen. Hier greift der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit. Das bedeutet, dass der Beschuldigte nicht verpflichtet ist, seine PIN herauszugeben, da dies eine aktive Selbstbelastung darstellen würde. Die Polizei kann ihn nicht zwingen, den Code preiszugeben.

Dennoch sind die Behörden nicht vollständig machtlos: Durch den Einsatz spezieller forensischer Software können sie versuchen, die Sperre von Smartphones zu umgehen und so Zugriff auf die Daten zu erhalten. Diese Software ist jedoch technisch oft sehr anspruchsvoll, kostenintensiv und funktioniert nicht bei allen Geräten. Aus diesem Grund wird es für die Polizei in Zukunft einfacher und effizienter sein, das Handy zwangsweise per Fingerabdruck oder Gesichtserkennung entsperren zu lassen.

Fazit

Die Entscheidung des BGH markiert einen Wendepunkt im Umgang mit digitalen Beweismitteln im Strafverfahren. Sie zeigt, dass die Grenze zwischen dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung den Ermittlungsbefugnissen der Polizei neu ausgelotet werden muss. Für Beschuldigte ist es daher wichtig, ihre Rechte genau zu kennen und im Zweifel früh juristischen Rat einzuholen – insbesondere, wenn es um den Schutz ihrer digitalen Daten geht.


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