Urteil des FG Düsseldorf: Kein pauschales Verkehrsverbot für Nutzhanfzigaretten

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06. Juni 2025

Mit einem aktuellen Urteil weist das Finanzgericht Düsseldorf die bisherige Auffassung der Zollverwaltung zur steuerlichen Behandlung von Nutzhanferzeugnissen zurück. Das Gericht entscheidet, dass solche Erzeugnisse grundsätzlich verkehrsfähig sind und der Tabaksteuer unterliegen können. Die Entscheidung zeigt, dass sich Hersteller und Importeure von Hanfraucherzeugnissen künftig auf neue steuerliche Rahmenbedingungen einstellen müssen.

Sachverhalt

Die Klägerin plante, nikotinfreie Kräuterzigaretten aus Nutzhanf aus Österreich und Tschechien nach Deutschland einzuführen und dort als Tabakware zu verkaufen. Die Zigaretten enthielten THC und THCA, allerdings lag der Gehalt jeweils bei unter 0,05 Prozent. Das Hauptzollamt (HZA) erteilte der Klägerin im April 2023 die Erlaubnis, die Zigaretten unter Steueraussetzung in ihrem Betrieb zu gewerblichen Zwecken zu empfangen.

Im Mai gab die Klägerin eine Steueranmeldung ab, mit der sie für die Kräuterzigaretten Steuerzeichen bestellte. Das Hauptzollamt lehnte kurz darauf die Übersendung der Steuerzeichen ab. Begründet wurde dies damit, dass Cannabis als pflanzliches Raucherzeugnis nicht verkehrsfähig sei und ein Missbrauch zu Rauschzwecken nicht ausgeschlossen werden könne.

Daraufhin legte die Klägerin Einspruch ein, der allerdings zurückgewiesen wurde. Nun beantragt die Klägerin vor Gericht, das Hauptzollamt zu verpflichten, die Steuerzeichenschuld festzusetzen, damit sie die Zigaretten verkaufen kann.

Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klägerin Recht und verpflichtete das Hauptzollamt, die bestellten Steuerzeichen zu übersenden.

Verkehrsfähigkeit der Erzeugnisse (§ 1 Abs. 8 TabStG i.V.m. BtMG)

Gestritten wird darum, ob Kräuterzigaretten aus Nutzhanf verkehrsfähig sind. Das Hauptzollamt hatte das unter Verweis auf ihren THC-Gehalt abgelehnt.

Das Finanzgericht stellt hingegen klar, dass es nur dann an der Verkehrsfähigkeit fehlen würde, wenn es sich bei den Zigaretten um Betäubungsmittel handeln würde, die nicht für medizinische oder wissenschaftliche Zwecke bestimmt gewesen seien. Die streitgegenständlichen Kräuterzigaretten seien jedoch nicht einmal Betäubungsmittel im rechtlichen Sinn.

Das Konsumcannabisgesetz (KCanG) verbietet zwar den Besitz und das Handeltreiben mit Cannabis. Nach § 1 Nr. 8 Buchst. d KCanG sei aber Nutzhanf ausdrücklich kein Cannabis. Nach der Definition des KCanG seien Nutzhanf sonstige Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen, wenn der Verkehr ausschließlich gewerblichen Zwecken diene, der Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen sei und der THC-Gehalt 0,3 Prozent nicht übersteige. Der THC-Gehalt der Kräuterzigaretten liege unstrittig unter 0,3 Prozent, und ihr Verkauf diene ausschließlich gewerblichen Zwecken.

Entscheidend sei laut Gericht also, ob ein Missbrauch zu Rauschzwecken beim Endverbraucher ausgeschlossen werden könne. Das sei bei einer völlig unbedeutenden Menge des psychoaktiven Wirkstoffs der Fall. Da alle Zigarettensorten einen THC-Gehalt von höchstens 0,05 Prozent aufwiesen und nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschl. v. 23.06.2022 – 5 StR 490/21[UJ1] ) zur Erzielung eines Rauschs mindestens ein Gehalt von 0,1 Prozent erforderlich sei, wiesen alle Zigaretten nur eine völlig unbedeutende Menge auf.

Weiter stellt das Finanzgericht fest, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 28.02.1984 – 294/82[UJ2] ) zur Nichtsteuerbarkeit von Waren, die einem vollständigen Verkehrsverbot innerhalb der EU unterliegen – wie etwa illegale Drogen, deren Einfuhr und Handel strafrechtlich verfolgt werden – auf die vorliegenden Kräuterzigaretten keine Anwendung findet.

Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV)

Nach Auffassung des Finanzgerichts verstößt die Einordnung der Kräuterzigaretten als nicht verkehrsfähiges Cannabis durch das Hauptzollamt darüber hinaus gegen die unionsrechtliche Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV). Diese stehe einer nationalen Regelung, die es verbiete, in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes CBD zu vermarkten, entgegen. Ein nationales Verbot könne auch nicht durch Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden, weil die öffentliche Gesundheit aufgrund des geringen THC-Gehalts nicht gefährdet sei.

Bedeutung für die Praxis

Mit seiner Entscheidung widerspricht das Gericht der bisherigen Rechtsauffassung der Zollverwaltung, nach der Cannabiserzeugnisse grundsätzlich nicht an Endverbraucher abgegeben werden dürfen und daher mangels Verkehrsfähigkeit nicht der Tabaksteuer unterliegen. Nach Auffassung des Gerichts ist ein Verkehrsverbot – anders als vom Zoll vertreten – nicht pauschal, sondern nur bei Vorliegen einer tatsächlichen Betäubungsmitteleigenschaft im Einzelfall gerechtfertigt. Dies erfordert eine einzelfallbezogene Prüfung jedes Cannabiserzeugnisses.

Das Urteil könnte erhebliche praktische Konsequenzen nach sich ziehen: Sollte eine Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision des Hauptzollamts erfolglos bleiben und dieses die Rechtsauffassung des Finanzgerichts übernehmen, wären Hersteller und Importeure von Raucherzeugnissen aus Nutzhanf künftig vollumfänglich in das Tabaksteuerrecht eingebunden. Für die betroffenen Unternehmen ist es daher ratsam, sich frühzeitig mit den möglichen steuerlichen Folgen auseinanderzusetzen und die weitere rechtliche Entwicklung aufmerksam zu verfolgen.


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