Der Auslieferungsbeleg mit der Unterschrift eines Postbediensteten dient als Anscheinsbeweis für den Zugang des Kündigungsschreibens zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten, entschied das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Urteil vom 15.06.2023 (Az.: 5 Sa 1/23). Wenn der sogenannte Anscheinsbeweis erbracht wurde, muss daraufhin die andere Partei dafür einstehen, dass es nicht so war.
Geklagt hatte eine Zahnärztin. Ihr Arbeitgeber kündigte ihr zum 31.12.2021 und versendete das Kündigungsschreiben am 29.09.2021 als Einwurf-Einschreiben. Laut dem Zustellungsnachweis wurde ihr das Kündigungsschreiben am 30.09.2021 zugestellt.
Sie bestritt die Zustellung zu diesem Zeitpunkt und beantragte mit ihrer Klage beim Arbeitsgericht die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.12.2021, sondern zum 31.03.2022 beendet worden sei.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab und begründete dies damit, dass bei Übersendung eines Kündigungsschreibens per Einwurf-Einschreiben die Vorlage des Einlieferungsbeleges und die Reproduktion des Auslieferungsbeleges mit der Unterschrift des Zustellers ausreichende Nachweise für den Zugang des Schreibens beim Empfänger seien.
Der Auslieferungsbeleg des Versanddienstleisters mit der Unterschrift des Zustellers sei ein Anscheinsbeweis dafür, dass das Kündigungsschreiben zum Zeitpunkt der gewöhnlichen Postzustellungszeiten zugestellt worden sei. Es sei außerdem damit zu rechnen, dass eine Leerung des Briefkastens noch am Tag der konkreten Postzustellungszeit und damit die Kenntnisnahme noch an diesem Tag erfolge, denn die Zustellung der Post außerhalb der üblichen Zustellzeit sei eine Ausnahme.
Beruft sich der Empfänger auf eine Zustellung „zur Unzeit“, so obliegt es diesem, dies zu beweisen. Für den Zugang des Kündigungsschreibens ist aber grundsätzlich der Absender beweispflichtig.
Der Beweis des ersten Anscheins sei gerechtfertigt, da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Einwurf des Schreibens in das richtige Postfach bzw. den richtigen Briefkasten auszugehen sei. Erfahrungen nach seien fehlerhafte Zustellungen unwahrscheinlich, so das Landesarbeitsgericht Nürnberg.
Ausreichend für den Zugang der Kündigung bei dem Arbeitnehmer sei auch, dass er unter gewöhnlichen Umständen von der Kündigung Kenntnis erlangen könne. Damit sei mit einem Zugang des Kündigungsschreibens am 30.09.2021 auszugehen und die Kündigungsfrist von drei Monaten gewahrt. Das Arbeitsverhältnis sei zum 31.12.2021 aufgelöst worden.
Erster Schritt für eine nicht angreifbare Kündigungserklärung ist das Erstellen eines formal korrekten Dokumentes, unterschrieben von der oder den richtigen Personen mit gerichtsfestem Zugang. Die Arbeitsgerichtsbarkeit hat hier einen besonderen Blick drauf, weil sie so am einfachsten Kündigungsstreitigkeiten „erledigen“ kann. Ohne sich mit dem viel komplexeren zweiten Schritt, der inhaltlichen Rechtfertigung, einer Kündigung auseinandersetzen zu müssen
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