Die Revision eines Restaurantbetreibers, der durch Manipulation seines Kassensystems Steuern verkürzen wollte, hatte vor dem BGH teilweise Erfolg. Das oberste Gericht stellte fest, dass der Strafausspruch der Vorinstanz der rechtlichen Überprüfung nicht standhalte, weil die konkrete Art der Gewinnermittlung nicht aufgeklärt worden ist. Daneben bekräftigt das Gericht seine Rechtsprechung zum Begriff der prozessualen Tat: Eine Steuerverkürzung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO endet mit dem Zugang eines Schätzungsbescheids. Die darauffolgende Abgabe einer Falscherklärung stellt eine neue prozessuale Tat dar, diese Tat war im vorliegenden Fall nicht von der ursprünglichen Anklage umfasst.
Die beiden Angeklagten betrieben ein chinesisches Buffetrestaurant als Einzelunternehmen. Das Unternehmen wurde im März 2014 vom Angeklagten gegründet und im März 2015 von seiner Ehefrau übernommen. Nach außen trat die Ehefrau ab diesem Zeitpunkt als Alleininhaberin auf. Der Angeklagte traf aber weiterhin grundlegende Entscheidungen und vertrat das Einzelunternehmen. Schon bei Aufnahme der Tätigkeit verwendete der Angeklagte ein manipuliertes Kassensystem, das die erzielten Einnahmen nicht vollständig erfasste, sodass die tatsächlich erzielten Umsätze keinen Eingang in die Buchführung fanden. Außerdem gaben die Angeklagten keine Umsatz-, Gewerbe- und Einkommenssteuererklärungen ab. Eine Ausnahme bildete das Jahr 2014. Nachdem das Finanzamt einen Schätzungsbescheid erlassen hatte, gab der Angeklagte im August 2016 eine Einkommensteuererklärung im Wesentlichen nur für 2014 ab. In dieser wurden jedoch zu niedrige Einkünfte aus dem Restaurantbetrieb angegeben. Insgesamt verkürzten die Angeklagten nahezu 1 Mio. EUR an Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuern. Das Landgericht Kiel verurteilte den revisionsführenden Angeklagten daraufhin wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).
Die daraufhin eingelegte Revision des Angeklagten hatte teilweise Erfolg.
Der Senat stellte das Verfahren, soweit es um die Hinterziehung der Einkommensteuer für das Jahr 2014 ging, ein, weil ein Verfahrenshindernis vorlag (§ 206a Abs. 1 StPO; § 354 Abs. 1 Variante 2 StPO). Er führte dazu aus, dass die Anklageschrift dem Angeklagten eine Einkommensteuerverkürzung durch Nichtabgabe der Steuererklärung (§ 370 Abs.1 Nr. 2 AO) und keine Steuerverkürzung durch unrichtige Angaben (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) zur Last gelegt habe.
Das zuständige Finanzamt hatte im April 2016 einen Schätzungsbescheid erlassen. Mit Zugang dieses Bescheids beim Angeklagten war die zur Last gelegte Steuerverkürzung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO beendet. Die daraufhin vom Angeklagten abgegebene unrichtige Einkommensteuererklärung stellt einen neuen prozessualen Sachverhalt dar, der nicht von der Anklage umfasst wurde. Um auch diese Tat verfahrensgegenständlich werden zu lassen, hätte die Anklage die Falscherklärung aufnehmen müssen. Diese Aufnahme ist aber unterblieben.
Insoweit bekräftigt das Gericht seine bisherige Rechtsprechung zur prozessualen Tat in Steuerstrafsachen.
Außerdem stellte der BGH fest, dass der Strafausspruch der Vorinstanz der rechtlichen Überprüfung nicht standhält, weil das Landgericht den Umfang der verkürzten Steuer falsch berechnet hat.
Der Senat konnte bei Gewerbe- und Einkommenssteuer nicht erkennen, auf welche Art der Angeklagte seinen Gewinn ermittelt hat (§ 7 S. 1GewStG; § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG). Für Gewinneinkünfte sieht § 4 Abs. 1 S. 1 EStG die Ermittlung aufgrund eines bilanziellen Bestandsvergleichs vor. Ein Gewinnermittlungssubjekt kann allerdings, wenn es nicht zur Buchführung verpflichtet ist, seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG auch durch Einnahmeüberschussrechnung ermitteln. Wird keine Wahl getroffen, bleibt es bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich. Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts ist die tatsächliche Handhabung.
Der BGH monierte, dass das Landgericht nicht festgestellt hat, wie die Praxis des Angeklagten ausgesehen hat. Die Wahl der Gewinnermittlung kann aber steuerstrafrechtlich nicht dahinstehen. Wenn der Angeklagte bilanziert hätte, hätte der Betrag der nachzuentrichtenden Umsatzsteuer den Betriebsgewinn in demselben Besteuerungszeitraum vermindert. Wenn er eine Einnahmeüberschussrechnung durchgeführt hätte, hätte sich die gleichzeitige Umsatzsteuerverkürzung mangels Abflusses entsprechender Zahlungen nicht ausgewirkt.
Auf welche Art der Angeklagte seine Gewinne ermittelt hat, ist infolge der Auswirkungen der hinterzogenen Umsatzsteuer auf die Höhe der Gewinne relevant und beeinflusst damit den Schuldumfang bei der Hinterziehung von Einkommens- und Gewerbesteuer. Da das Landgericht die konkrete Art der Gewinnermittlung nicht festgestellt hat, war die Berechnung des Umfangs der verkürzten Steuer rechtsfehlerhaft.
Die Entscheidung beschäftigt sich zum einen mit dem Begriff der prozessualen Tat und zum anderen mit der Gewinnermittlung. Das Gericht bekräftigt seine bisherige Rechtsprechung, nach der eine Steuerverkürzung nach § 370 Abs. 1 Nr.2 AO beendet ist, wenn ein Schätzungsbescheid des Finanzamts zugeht. Damit stellt das Gericht klar, dass die verspätete Abgabe einer Steuererklärung einen neuen prozessualen Sachverhalt darstellt. Ein solcher darf nur abgeurteilt werden, soweit er von der Anklage umfasst war, was vorliegend nicht der Fall war. Außerdem zeigt das Urteil, dass ein Gericht die konkrete Art der Gewinnermittlung feststellen muss. Es ist zu erwarten, dass die Staatsanwaltschaften bei ihren Ermittlungen in Zukunft vermehrt die Gewinnermittlung beleuchten. Der Fall zeigt aber auch und bestätigen unseren Eindruck, dass in der Praxis nicht selten Fehler in Ermittlungsverfahren geschehen, die in der Verteidigung genutzt werden können.
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