Das Finanzgericht Düsseldorf (Urteil vom 30.09.2025 - 4 K 2085/24 VTa) hat klargestellt, dass reines Glycerin kein Substitut für Tabakwaren im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 TabStG ist und somit nicht tabaksteuerpflichtig ist. Ausschlaggebend für diese Einordnung ist, dass Glycerin weder eine Genusswirkung entfaltet noch eine typische Ersatzfunktion für Tabakwaren erfüllt.
Der von DREYENBERG vertretene Kläger betreibt ein Shisha-Geschäft und wurde im Rahmen einer Kontrolle durch Beschäftigte des Hauptzollamts überprüft. Dabei wurden zahlreiche E-Liquids sowie insgesamt über 400 Behältnisse mit Glycerin festgestellt, die keine Steuerzeichen aufwiesen. Darüber hinaus wurden über 400 Behältnisse mit Wasserpfeifentabak sichergestellt, die mit Steuerzeichen für Pfeifentabak versehen waren.
Im Anschluss setzte das zuständige Finanzamt Tabaksteuer in Höhe von insgesamt knapp 29.000 Euro fest. Davon entfielen knapp 16.000 Euro auf das sichergestellte Glycerin. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, es handele sich bei dem nicht versteuerten Wasserpfeifentabak sowie dem Glycerin um Substitutsprodukte für Tabakwaren, für die gemäß § 23f Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2, Abs. 3 Nr. 3 TabStG Tabaksteuer geschuldet werde.
Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Finanzgericht Düsseldorf bekam der Kläger jedoch Recht: Das Gericht bewertete den Steuerbescheid als rechtswidrig und stellte fest, dass Glycerin nicht hätten besteuert werden dürfen.
Im Verfahren trug DREYENBERG vor, dass reines Glycerin kein Substitut für Tabakwaren im Sinne des Tabaksteuergesetzes darstellen könne. Nach dem Wortlaut des § 23f TabStG und der Gesetzesbegründung liege ein Substitut nur vor, wenn es eine typische Ersatzfunktion erfülle und es sich um eine Zubereitung handle.
Reines Glycerin erfülle diese Voraussetzungen nicht. Es sei ein farb- und geruchloser Zuckeralkohol, der keine pharmakologische, psychoaktive oder sonstige Genusswirkung entfalte. Vielmehr diene es als technischer Trägerstoff für die Dampfbildung und werde darüber hinaus auch in der Lebensmittelindustrie, in der Kosmetik und in der Pharmazie verwendet. Auch ein Geschmacksträger sei Glycerin allein nicht; es sei zudem so zähflüssig, dass es in vielen E-Zigaretten zu technischen Problemen führe. Eine genussfähige Verwendung im Sinne des Gesetzes sei daher nicht gegeben.
Zudem wies DREYENBERG darauf hin, dass die Verwaltung, wenn sie bereits den Rohstoff Glycerin als steuerpflichtiges Substitut erfassen wolle, konsequenterweise auch andere Vorprodukte wie Aromen, Propylenglykol oder sogar Wasser als solche erfassen müsse. Dies würde zu einer erheblichen Ausweitung des Steuergegenstands führen.
Auch ergaben sich europarechtliche Bedenken gegen die Rechtsauffassung des beklagten Hauptzollamts.
Das Finanzgericht Düsseldorf schloss sich dieser Argumentation an. Es stellte klar, dass § 1 Abs. 2c TabStG ausschließlich solche Erzeugnisse erfassen wolle, die klassische Tabakwaren, insbesondere Zigaretten, substituierten. Damit seien vor allem chemische Zubereitungen gemeint, die als Genussmittel konsumiert werden könnten. Daran fehle es bei Glycerin.
Auch den Einwand der Beklagten, der Verkauf von Glycerin in einem Shisha-Geschäft belege eine Zweckbestimmung zur Herstellung von Liquids und rechtfertige die Besteuerung, wies das Gericht zurück. Die bloße Möglichkeit, dass ein Produkt zu einem späteren Zeitpunkt zu einem steuerpflichtigen Erzeugnis verarbeitet werden könnte, rechtfertige nicht dessen Besteuerung als solches. Steuerrechtlich entscheidend sei nicht die Absicht oder Möglichkeit der Weiterverarbeitung, sondern der tatsächliche Status des Produkts im Zeitpunkt der Kontrolle – und dieser sei im Fall von reinem Glycerin, dass es nicht mit genussfähigem Tabak vergleichbar sei.
Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass die tatsächliche Zweckbestimmung der Glycerin-Behältnisse im konkreten Fall überhaupt nicht eindeutig feststellbar war. Sie hätten laut Gericht ebenso zur Herstellung von Wasserpfeifentabak, statt wie vom Beklagten angenommen, zur Herstellung von Liquids verwendet werden können.
Die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf bringt eine wichtige Klarstellung im Umgang mit Vorprodukten wie Glycerin: Solche Stoffe unterliegen nicht der Tabaksteuer, wenn sie für sich genommen keine genussfähigen Substitute darstellen.
Für Händler und Hersteller in der Shisha- und E-Zigarettenbranche bedeutet dies mehr Rechtssicherheit im Umgang mit unverarbeiteten Grundstoffen. Gleichzeitig zeigt die Entscheidung, dass eine gesetzlich nicht gedeckte Ausweitung des Steuergegenstandes durch die Verwaltung nicht hingenommen werden muss.
Allerdings hat das Hauptzollamt in einem Parallelverfahren Revision zum Bundesfinanzhof eingelegt. Bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs bleibt diese Rechtsfrage nicht endgültig geklärt.
Der Bereich der Tabaksteuer ist von einer häufig wechselnden Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis geprägt. Gerade bei Produkten wie Glycerin oder anderen Vorprodukten bestehen Unsicherheiten darüber, wann und in welchem Umfang Tabaksteuer anfällt. Fehlinterpretationen können zu erheblichen finanziellen Belastungen durch Steuerforderungen und Strafverfahren (Steuerhinterziehung) führen. Deshalb ist eine fachkundige Beratung unverzichtbar, um die steuerliche Einordnung korrekt vorzunehmen, Risiken frühzeitig zu erkennen und erfolgreich dagegen vorzugehen.
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