Die Genossenschaft wird neuerdings von einigen Beratern vermehrt als steuerliche Gestaltung zur Verhinderung der Wegzugsbesteuerung angepriesen. Dieses Modell birgt jedoch Risiken und bringt einige Hürden mit sich, die vor der Umsetzung einer solchen Gestaltung näher beleuchtet werden sollten.
Ziel der Strukturierung mit einer Genossenschaft ist die Vermeidung der Wegzugsbesteuerung nach § 6 des Außensteuergesetzes (AStG). Gemäß § 6 AStG werden im Privatvermögen gehaltene Anteile an einer Kapitalgesellschaft bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland besteuert, als ob die Anteile zum Verkehrswert veräußert worden wären. Dies führt zu einer Aufdeckung der stillen Reserven. Nähere Einzelheiten zur sog. Wegzugsbesteuerung können Sie hier nachlesen.
Bei Gründung einer Genossenschaft können die im Privatvermögen gehaltenen Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf diese übertragen werden, bevor die Wegzugsbesteuerung ausgelöst wird. Die Übertragung auf die Genossenschaft ist unter den Voraussetzungen von § 21 Abs. 1, Abs. 2 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) steuerneutral möglich. Ein Wegzug erfolgt dann mit den Anteilen an der Genossenschaft anstelle der Anteile an der Kapitalgesellschaft.
Eine Genossenschaft ist eine Gesellschaft von mindestens drei Mitgliedern, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb, die Wirtschaft oder die sozialen oder kulturellen Belange ihrer Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern.
Mitglieder einer Genossenschaft können neben natürlichen Personen auch Personen- und Kapitalgesellschaften sowie Stiftungen sein. Auch die Gründung einer sogenannten Familiengenossenschaft, deren Mitglieder ausschließlich Angehörige einer Familie sind, ist grundsätzlich möglich.
Allerdings ist die Genossenschaft auf die persönliche Förderung ihrer Mitglieder gerichtet (sog. Förderzweck). Das bloße Halten von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und die Ausschüttung von Gewinnen an die Mitglieder genügt hierzu nicht. Daher verweigern bereits jetzt viele genossenschaftliche Prüfungsverbände den sog. Familiengenossenschaften bzw. vermögensverwaltenden Genossenschaft die Anerkennung. Zudem wurde am 4. Juli 2024 der Referentenentwurf des Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform veröffentlicht. Der Entwurf sieht u.a. vor, die bloße Erhaltung und Verwaltung des Genossenschaftsvermögens sowie die gemeinschaftliche Vermögensanlage ausdrücklich als zulässigen Förderzweck auszuschließen. Damit sollen vermögensverwaltende Genossenschaften verhindert werden. Sollte der Referentenentwurf das Gesetzgebungsverfahren erfolgreich durchlaufen, wird die erfolgreiche Gründung einer anteilshaltenden Genossenschaft weiter erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Bestehenden Familiengenossenschaften droht die Auflösung. Nähere Einzelheiten zu den Voraussetzungen und Hürden der Gründung einer vermögensverwaltenden Genossenschaft können Sie hier nachlesen.
Anteile an einer Genossenschaft sind Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gleichgestellt und unterliegen damit ebenfalls der Wegzugsbesteuerung.
Der Vorteil beim Halten der Anteile durch eine Genossenschaft statt im Privatvermögen soll in der günstigeren Bewertung der Genossenschaftsanteile mit dem Nennwert anstelle des Verkehrswerts liegen. Bei einer Bewertung mit dem Nennwert würden die stillen Reserven in den Kapitalgesellschaftsanteilen nicht aufgedeckt und damit im Ergebnis nicht besteuert werden.
Grundsätzlich wird der steuerpflichtige Erwerb mit dem Verkehrswert bewertet. Für Anteile an Kapitalgesellschaften sowie für Kapitalforderungen bestehen Sonderregelungen. Genossenschaften sind jedoch keine Kapitalgesellschaften und werden diesen für Zwecke der Bewertung auch nicht gleichgestellt. Sie sind als Kapitalforderungen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Bewertungsgesetz (BewG) mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Dem Finanzamt ist es also möglich, die Genossenschaftsanteile nach dem Verkehrswert aufgrund des in der Genossenschaft befindlichen Vermögens zu bewerten, wenn besondere Umstände vorliegen.
Eine nähere Bestimmung, wann besondere Umstände vorliegen, lässt sich der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung bislang nicht entnehmen. Die bisherige Rechtsprechung hinsichtlich der Bewertungen von Genossenschaftsanteilen betraf lediglich solche, die dem gesetzgeberischen Leitbild einer Genossenschaft entsprachen. Dies ist bei Familiengenossenschaften und bei vermögensverwaltenden Genossenschaften allerdings nicht der Fall.
Es gibt einige Anknüpfungspunkte für das Vorliegen "besonderer Umstände" bei einer Genossenschaft, die Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält.
Bereits die Beherrschung der Genossenschaft durch eine natürliche Person bzw. die Gründung lediglich mit Familienmitgliedern könnte von der Finanzverwaltung als besonderer Umstand angesehen werden.
Darüber hinaus handelt es sich bei Anteilen an einer Genossenschaft nicht um typische Kapitalforderungen im Sinne der Vorschrift. Im Gegensatz zu einfachen Zahlungsansprüchen kann bei Genossenschaftsanteilen eine erhebliche Differenz zwischen dem Nennwert und dem wirtschaftlichen Wert liegen. Bei einer Familiengenossenschaft dürfte dies aufgrund der geringen Mitgliederzahl sogar die Regel darstellen. Gleiches gilt im Falle der Beherrschung der Genossenschaft durch eine natürliche Person.
Insbesondere auch die Abweichung vom gesetzgeberischen Leitbild einer Genossenschaft bei einer solchen Gestaltung könnte einen besonderen Umstand begründen. Bei anteilshaltenden Genossenschaften ist u.a. ein volles Gewinnbezugsrecht vorgesehen, welches den Verkehrswert erhöht.
Zudem geht das Gesetz aufgrund der Gleichstellung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und Genossenschaftsanteilen bei Veräußerung grundsätzlich von der Möglichkeit der Bewertung über dem Nennwert aus.
Geht die Finanzverwaltung von einem besonderen Umstand aus, wird der Genossenschaftsanteil - unter Aufdeckung der stillen Reserven - mit dem gemeinen Wert bewertet. Jedenfalls aufgrund der zu erwartenden Gewinnausschüttungen wird der gemeine Wert in der Regel weit über dem Nennwert der Genossenschaftsanteile liegen.
In diesem Fall würde der Wegzug mit einer anteilshaltenden Genossenschaft zur selben Steuerbelastung führen wie bei Kapitalgesellschaftsanteilen im Privatvermögen.
Sollte die Gründung einer Genossenschaft aufgrund eines zulässigen Förderzwecks ausnahmsweise in Betracht kommen, sollte das Risiko der Bewertung der Genossenschaftsanteile mit dem Verkehrswert vor der Umsetzung unbedingt durch einen Antrag auf verbindliche Auskunft beim Finanzamt abgesichert werden. Andernfalls führt die Bewertung der Genossenschaftsanteile mit dem Verkehrswert beim Wegzug zur selben Steuerbelastung wie bei Kapitalgesellschaftsanteilen im Privatvermögen.
Die Beraterinnen und Berater von DREYENBERG sind spezialisiert auf die steuerliche Gestaltungsberatung und haben langjährige Erfahrung mit der Wegzugsbesteuerung und Strukturen zu deren Vermeidung.
Sie sind unsicher, ob Ihr Vermögen künftig der Wegzugsbesteuerung unterliegt? Sprechen Sie uns gerne an!
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