Die zunehmende Digitalisierung erlaubt es Unternehmern und Mitarbeitern, von fast überall in der Welt aus für ihr Unternehmen tätig zu werden. Dadurch ist der Wegzug ins Ausland sowohl für junge als auch bereits erfolgreiche deutsche Unternehmer, Gesellschafter und Investoren sehr beliebt geworden. Ein Wegzug aus Deutschland sollte allerdings vorausschauend geplant werden. Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist die die sog. Wegzugsbesteuerung oder Wegzugssteuer nach § 6 AStG, die im englischsprachigen Raum als „Exit Taxation“ bekannt ist.
Der Gewinn aus der Veräußerung von mehr als 1 Prozent der Anteile an der Kapitalgesellschaft eines unbeschränkt Steuerpflichtigen unterliegt der Besteuerung mit Einkommensteuer.
Bei einem Wegzug in einen anderen Staat und der damit regelmäßig verbundenen Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht verliert Deutschland sein Besteuerungsrecht für den Fall der Veräußerung der Beteiligung.
Insbesondere auch um eine Umgehung der Veräußerungsbesteuerung in Deutschland durch einen Wegzug in ein Niedrigsteuerland zu verhindern, hat der der Gesetzgeber die sog. Wegzugsbesteuerung in § 6 AStG implementiert. Danach sollen die nicht realisierten Gewinne in den Anteilen (sog. stille Reserven) bereits im Zeitpunkt des Wegzugs besteuert werden, wenn die deutschen Besteuerungsmöglichkeiten durch den Wegzug ausgeschlossen oder beschränkt werden.
Zum 01.01.2025 wird die sog. Wegzugsbesteuerung auch auf Anteile an (Spezial-)Investmentfonds ausgeweitet. Hierzu wird die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG nahezu wortgleich auf das InvStG übertragen.
Die Wegzugsbesteuerung setzt zunächst die unbeschränkte Steuerpflicht voraus. Unbeschränkt steuerpflichtig ist, wer seinen Wohnsitz i.S.v. § 8 AO oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. § 9 AO in Deutschland hat und die unbeschränkte Steuerpflicht mindestens sieben Jahre innerhalb der letzten zwölf Jahre vor Eintritt des Wegzugs bestanden hat.
Weiteres Erfordernis ist, dass
Oft erfolgt der Wegzug unter vollständiger Aufgabe des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltes in Deutschland. Behält der Steuerpflichte einen Wohnsitz und/oder den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und bleibt er damit unbeschränkt steuerpflichtig, kann es dennoch sein, dass das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt ist.
Das ist typischerweise der Fall, wenn der Steuerpflichtige in einem anderen Staat ebenfalls steuerpflichtig wird und ein Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) zwischen Deutschland und dem Zuzugsstaat besteht, das dem Zuzugsstaat das Besteuerungsrecht aus dem Gewinn der Veräußerung der Anteile zuweist. Im Fall der Steuerpflicht sowohl im Wegzugsstaat als auch im Zuzugsstaat wird das Besteuerungsrecht aus der Veräußerung von Anteilen regelmäßig dem Staat zugewiesen, in dem der Steuerpflichtige seinen Lebensmittelpunkt hat. In der Praxis wird der Lebensmittelpunkt regelmäßig an dem Ort liegen, an dem die Familie des Steuerpflichtigen ist.
Liegen die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG vor, führt dies zu einer Besteuerung der sog. stillen Reserven in den Anteilen an der Kapitalgesellschaft gemäß § 17 EStG.
Die Ermittlung der stillen Reserven erfordert regelmäßig eine Bewertung der Anteile, soweit nicht innerhalb eines Jahres vor Wegzug eine Veräußerung von Anteilen der Gesellschaft erfolgt ist, deren Veräußerungspreis als Vergleich herangezogen werden kann.
Nach dem Teileinkünfteverfahren sind effektiv 40 Prozent des Gewinns steuerfrei und die verbleibenden 60 Prozent werden mit dem individuellen progressiven Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen besteuert, maximal 45 Prozent. Die Einkommensteuerlast beträgt damit bis zu 27 Prozent zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat inzwischen höchstrichterlich entschieden, dass der Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht der maßgebliche Zeitpunkt für die Erfassung des Gewinns aus der Wegzugsbesteuerung ist. Der Gewinn ist damit in der Einkommensteuererklärung des Jahres zu erfassen, in dem der Tatbestand des § 6 Abs. 1 AStG erfüllt wurde.
Die Möglichkeit einer zinslosen Stundung der Wegzugsteuer ist mit der Verschärfung des § 6 AStG zum 01.07.0221 entfallen. § 6 Abs. 4 AStG ermöglicht auf Antrag jedoch eine Zahlung der Wegzugsteuer in sieben gleichen Jahresraten. Die Jahresraten sind nicht zu verzinsen.
In Fällen, in denen der Steuerpflichtige lediglich vorübergehend seine unbeschränkte Steuerpflicht beendet (z.B. für ein Studium oder Secondment) kann der Anspruch der Finanzverwaltung auf die Wegzugsteuer entfallen, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird und die weiteren Voraussetzungen vorliegen.
Das zuständige Finanzamt kann die Frist auf Antrag insgesamt um höchstens weitere fünf Jahre verlängern, wenn die Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht.
In der Vergangenheit hat der Nachweis der Rückkehrabsicht regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung geführt. Bisher war daher dringend zu empfehlen, die Rückkehrabsicht vor Wegzug ausreichend zu dokumentieren und den Wegzug mit einem Antrag auf verbindliche Auskunft abzusichern. Mit einer jüngeren Entscheidung des BFH dürfte sich dieses Thema jedoch etwas entspannt haben. Nach Auffassung des BFH ist eine Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs nicht erforderlich. Es komme vielmehr auf die tatsächliche Rückkehr an.
Die Wegzugsbesteuerung führt zu einer Besteuerung, ohne entsprechenden Liquiditätszufluss (sog. „dry income“), was für viele Steuerpflichtige eine erhebliche wirtschaftliche Belastung ausmacht, sodass eine Vermeidung der Wegzugsbesteuerung oftmals sinnvoll ist.
In Fällen, in denen der Steuerpflichtige lediglich beabsichtigt einen Teil des Jahres in einem anderen Staat zu verbringen, kann schon ein gut organisiertes und entsprechend dokumentiertes Wohnsitzmanagement ausreichen, um das Risiko der Wegzugsbesteuerung auszuschließen.
Sollte das bloße Wohnsitzmanagement nicht ausreichen, um das Risiko einer Wegzugsbesteuerung auszuschließen oder wenigstens wesentlich zu reduzieren, sollten Gestaltungen zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung erwogen werden. Im Wesentlichen kennt die Praxis die folgenden Modelle:
Eine weitere grundsätzlich mögliche, in der Praxis jedoch nicht ganz so geläufige Gestaltungsvariante ist die Übertragung auf eine GmbH mit Besserungsschein. Die Verwendung einer vermögensverwaltenden Genossenschaft zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung wird zwar vermehrt erwogen und auch angeboten, dürfte sich jedoch eher nicht eignen.
Generell empfiehlt es sich, die geplante Gestaltung vorab durch eine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung abzusichern.
Die Tätigkeit als Geschäftsführer im Zuzugsstaat begründet dort in der Regel eine steuerliche Betriebsstätte, der neben Gewinnen der Gesellschaft auch Wirtschaftsgüter zuzurechnen sein können. Waren Wirtschaftsgüter zuvor einer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen, kann dies zu einer sog. Entstrickung der Wirtschaftsgüter führen mit der Konsequenz, dass die stillen Reserven in Deutschland besteuert werden. Anteile an Kapitalgesellschaften sind regelmäßig der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzurechnen.
Wir beraten Sie gerne bei Ihren Überlegungen in das Ausland zu ziehen. Hierbei erstellen wir für Sie ein passendendes Konzept und prüfen die Machbarkeit der verschiedenen Gestaltungsvarianten. Wir beraten Sie bei der Erstellung der notwendigen Dokumentation und begleiten Sie im Austausch mit der Finanzbehörde.
Weitere Informationen zur Wegzugsbesteuerung erhalten Sie auch in unserem Podcast.
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