Vertrauensanwalt und Internal Investigations

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06. Dezember 2023

Die Aurubis AG hat im September eine Meldung über einen millionenschweren Betrugsschaden herausgebracht. Auch interne Mitarbeiter sollen hieran beteiligt sein. Dies gibt Anlass, über verschiedene Ansätze in der Unternehmenscompliance zu sprechen, insbesondere über das Verhältnis von Internal Investigations und Vertrauensanwälten.

Den Berichten zufolge sollen bei Aurubis Proben von Schrottlieferungen manipuliert worden sein. Die Bezahlung der Schrotthändler richtet sich dort, wie auch bei anderen Ankäufern, im Wesentlichen nach dem (verprobten) Anteil von Edelmetallen. Infolge der Manipulation soll die Aurubis AG einzelne Lieferanten zu hoch bezahlt haben, sodass ein Schaden in Höhe von mindestens 185 Millionen Euro entstanden sei. Es ist zudem die Rede von einem organisierten Bandendiebstahl. Die Aurubis AG geht davon aus, dass auch eigene Mitarbeiter in die Straftaten involviert sind, da voraussichtlich nur auf diese Weise die hohen Schäden überhaupt möglich wurden.

Unternehmenscompliance: Internal Investigations vs. Whistleblowing-Systeme

Internal investigations und Whistleblowing-Systeme, zu denen der Vertrauensanwalt rechnet, gehören zur Unternehmenscompliance. Unter Internal Investigations (auch: interne Untersuchungen) sind systematisch durchgeführte Untersuchungen in einem Unternehmen zu verstehen. Sie werden insbesondere durchgeführt, um strafrechtlich relevantes Verhalten von Unternehmensmitarbeitern oder -organen aufzudecken. Die interne Untersuchung wird privat durchgeführt, d.h. ohne Beteiligung staatlicher Strafverfolgungsorgane.

In der Praxis finden Internal Investigations in der Regel anlassbezogen und punktuell statt. Auslöser sind meistens Unregelmäßigkeiten in den Geschäftszahlen oder sonstige konkrete Verdachtsmomente, die auf einen Schaden für das Unternehmen oder ein strafbares Verhalten in dessen Umfeld hindeuten. Die inhaltliche Beschränkung hat nicht zuletzt wirtschaftliche Gründe. Denn je nach Gegenstand der Untersuchung kann ein erheblicher Aufwand entstehen, der nur bei einem entsprechend hohen Unternehmensinteresse gerechtfertigt ist.

Auch wenn am Ende einer internen Untersuchung der Schuldige gefunden sein sollte, bleibt das Unternehmen oft auf einem Teil des entstandenen wirtschaftlichen Schadens sitzen. Das gilt erst recht für Reputationsschäden. Gerade bei börsennotierten Gesellschaften wie hier Aurubis besteht unter Umständen eine gesetzliche Mitteilungspflicht.

Bewährte Compliancemaßnahme: Der Vertrauensanwalt für das Unternehmen

Unter mehreren Gesichtspunkten kann deswegen der Einsatz eines sogenannten Vertrauensanwalts sinnvoll sein. Ein Vertrauensanwalt oder auch Ombudsmann ist ein externer Ansprechpartner für Mitarbeiter eines Unternehmens. Mitarbeiter können sich als sogenannte Whistleblower (zu Deutsch „Hinweisgeber“) an den Vertrauensanwalt wenden, um Hinweise über unternehmensschädigendes Verhalten oder auch bloße Verdachtsmomente mitzuteilen. Der Vertrauensanwalt erhält sein Mandat vom Unternehmen und handelt insoweit ausschließlich in dessen Interesse und nach dessen Vorgaben.

Gleichzeitig ist der Vertrauensanwalt – je nach Ausgestaltung des Mandats – insoweit gegenüber dem Unternehmen unabhängig, als der Hinweisgeber auf Wunsch anonym bleiben kann. Der Vertrauensanwalt kann dann dem Hinweisgeber zusichern, dass er die Identität des Hinweisgebers nicht preisgibt. Potenzielle Hinweisgeber können sich zwischen ihrer Loyalität zum Unternehmen und etwaigen Kollegen hin- und hergerissen fühlen oder – bei hochkriminellen Organisationen – sogar um das eigene Wohl fürchten. Wenn zunächst nur ein loser Verdacht besteht, der sich im Nachhinein vielleicht gar nicht erhärtet, befürchtet der Hinweisgeber, als Nestbeschmutzer dazustehen. Die zugesicherte Anonymität schafft hier eine Basis für den Mitarbeiter, in diesem Spannungsfeld eine Entscheidung zugunsten des Unternehmens zu treffen.

Praktisch von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Art und Weise der Kommunikation zwischen Vertrauensanwalt und den potenziellen Hinweisgebern. Über die Anzahl und Art der Kanäle entscheidet in erster Linie das Unternehmen. Es hat dabei zu berücksichtigen, dass keine unnötigen Hürden zulasten seiner Mitarbeiter geschaffen werden. Zudem sind die Mitarbeiter in geeigneter Weise über die Person des Vertrauensanwalts, dessen Funktion und vor allem eine etwaige Zusicherung der Anonymität zu informieren.

Innerhalb eines Compliancesystems ist der Einsatz eines Vertrauensanwalts deshalb eher im Präventionsbereich einzuordnen.

Der Vertrauensanwalt hat Kenntnis von strafrechtlich relevanten Sachverhalten erlangt – wie geht es weiter?

Nachdem der Vertrauensanwalt einen Hinweis rechtlich gewürdigt hat und zu dem Ergebnis eines möglicherweise strafbaren Verhaltens gekommen ist, unterrichtet er die Geschäftsführung des Unternehmens hierüber. Die Geschäftsführung kann selbst entscheiden, ob es dem Verdacht nachgehen möchte und welche Maßnahmen es ergreifen möchte. Auch die unter Umständen zweckmäßige Entscheidung, dem Verdacht nicht weiter nachzugehen, hat der Vertrauensanwalt zu akzeptieren. Aufgrund des Mandats zwischen Vertrauensanwalt und Unternehmen unterfallen sämtliche Vorgänge der anwaltlichen Schweigepflicht.

Soll einem Verdacht weiter nachgegangen werden, stehen dem Unternehmen sämtliche rechtlich zulässigen Maßnahmen zur Verfügung. Dies reicht von der arbeitsrechtlichen Entlassung über die zivilrechtliche Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen bis zu einer Strafanzeige. Besteht nur ein Verdacht, kann auch eine sich daran anschließende interne Untersuchung zweckmäßig erscheinen. Hier zeigt sich dann der Vorteil eines Vertrauensanwalts darin, dass eine Internal Investigation deutlich zielgenauer und damit kostengünstiger vonstattengehen kann. Sie findet im Idealfall auch zu einem deutlich früheren Zeitpunkt statt, sodass das unternehmensschädigende Verhalten früher unterbunden werden kann.

DREYENBERG steht Unternehmen in sämtlichen Compliancefragen zur Seite

Die Rechtsanwälte von DREYENBERG beraten spezialisiert im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Dabei sind wir regelmäßig als Vertrauensanwälte für Unternehmen sowie Organisationen aus dem Gemeinnützigkeitsbereich tätig. Neben internen Untersuchungen decken wir sämtliche Fragestellungen rund um die Unternehmenscompliance ab.


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