Bundesfinanzhof entscheidet zum Zeitpunkt der Wegzugsbesteuerung

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28. Oktober 2024

Der BFH hat durch Urteil vom 16. April 2024 entschieden, dass der Gewinn aus dem Wegzugsteuertatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 a.F. in dem Zeitpunkt zu berücksichtigen ist, indem Deutschland letztmalig das (unbeschränkte) Besteuerungsrecht für einen Veräußerungsgewinn zugestanden hat.

Sachverhalt

Der Kläger ist Inhaber von Anteilen an einer spanische Immobilienkapitalgesellschaft, in welche seine in Deutschland ansässigen Eltern ihr in Spanien belegenes Ferienhaus einbrachten. Am 03.02.2011 wurde das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) hinsichtlich des Besteuerungsrechts von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an den in Art 13 Abs. 2 DBA Spanien genannten Immobilien-Kapitalgesellschaften geändert. Dadurch wurde das Besteuerungsrecht Deutschlands an diesen Anteilen ausgeschlossen. Dies stellt einen Fall der passiven Entstrickung dar. Eine aktive Verlagerung des Wirtschaftsguts ins Ausland erfolgte nicht.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dies eine Entstrickung der stillen Reserven gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG a.F. zur Folge habe und dies im streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid als Gewinn zu berücksichtigen sei.

Die Klage vor dem Finanzgericht Köln hatte Erfolg. Die Wegzugsteuer habe bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht nachträglich berücksichtigt werden dürfen. Davon unabhängig lägen die Voraussetzungen für die Besteuerung der stillen Reserven gem. § 6 AStG nicht vor.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung des Finanzgerichts Köln angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die angegriffene Entscheidung verletzt zwar Bundesrecht, durch die Annahme des Finanzgerichts, die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2013 habe bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden können. Allerdings hat die Vorinstanz im Ergebnis zutreffend befunden, dass für das Streitjahr keine materielle Rechtsgrundlage bestand, einen Entstrickungsgewinn als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen.

Ob eine passive Entstrickung dem Tatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG unterfällt, lässt der BFH offen. Der daraus entstehende Gewinn ist jedenfalls nicht im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum anzusetzen, sondern im vorangegangenen Veranlagungszeitraum.

Für den Grundtatbestand der Wegzugsteuer gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. ist der Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht der maßgebliche Zeitpunkt für die Erfassung des Gewinns. Durch BFH-Beschluss vom 23.09.2008, I B 92/08, hat der BFH klargestellt, dass der Steuerzugriff letztmals an der unbeschränkten Steuerpflicht des Wegziehenden anknüpft und nicht als deren erster Akt nach Eintritt der beschränkten Steuerpflicht erfolgt. Die Besteuerung erfolgt in der letzten juristischen Sekunde der unbeschränkten Steuerpflicht des Wegziehenden.

Gleiches gilt für den Ersatztatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG a.F., der den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands einer Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gleichstellt. Die Wegzugsteuer ist im Zeitpunkt in Ansatz zu bringen, indem Deutschland letztmalig das (unbeschränkte) Besteuerungsrecht für einen Veräußerungsgewinn zugestanden hat. Die Finanzverwaltung war der Auffassung, maßgeblich sei der Zeitpunkt der erstmaligen Anwendbarkeit des erstmals abgeschlossenen oder revidierten DBA (BMF-Schreiben vom 26.10.2018, BStBl I 2018, 1104, Tz 1). Dies ist mit dem maßgeblichen Zeitpunkt zum Grundtatbestand nicht vereinbar.

Auch der Gesetzgeber hat durch das ATAD – Umsetzungsgesetz vom 25.06.2021 erstmals ausdrücklich - mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2022 – festgelegt, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Berücksichtigung der Wegzugsteuer unmittelbar vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts eintritt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG n.F.). Dies stellt eine Klarstellung der bereits zuvor geltenden Rechtslage dar. Die Gesetzesbegründung enthält keine Anhaltspunkte für eine Änderung der rechtlichen Beurteilung des maßgeblichen Zeitpunkts.

Praxishinweise

Durch die Neuregelung der Wegzugstatbestände durch das ATAD-Umsetzungsgesetz entspricht die Entscheidung des BFH, IX R 38/21, der aktuellen Rechtslage des § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AStG. Nähere Einzelheiten zur sog. Wegzugsbesteuerung können Sie hier lesen. Eine Veröffentlichung dieser Entscheidung durch die Finanzverwaltung im Bundessteuerblatt Teil II erfolgte bislang nicht. Damit sind die Finanzämter in vergleichbaren Fällen nicht angewiesen die Entscheidung anzuwenden. Auch eine Aufhebung des BMF-Schreibens vom 26.10.2018 erfolgte nicht. Für zukünftige Veranlagungszeiträume ab 2022 besteht allerdings aufgrund der Gesetzesänderung Rechtsklarheit.

Höchstrichterlich ungeklärt bleibt, ob auch die passive Entstrickung von § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG erfasst ist. Der Gesetzgeber geht in seiner Gesetzesbegründung zum ATAD-Umsetzungsgesetz jedoch von der Anwendbarkeit aus (BT-Drucks 19/28652, S. 48).


Steuerrecht | Internationales Steuerrecht

Autor

© DREYENBERG
Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB,
Städelstraße 10, 60596 Frankfurt am Main

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