Die Einziehung von Taterträgen stellt im deutschen Strafrecht eine Nebenfolge dar. Das heißt, das Gericht darf neben der eigentlichen Strafe (Geld- oder Freiheitsstrafe) die Einziehung von Taterträgen anordnen. Mit Einziehung ist die Abschöpfung der durch die Straftat erlangten wirtschaftlichen Vorteile beim Täter gemeint. Dieser soll durch die Tat nicht profitieren („crime must not pay“). Vertreibt ein Betroffener beispielsweise urheberrechtsgeschützte Produkte einer anderen Firma und erzielt damit einen Erlös von 50.000 Euro, zieht das Gericht diesen Wert im Falle einer Verurteilung ein. Dabei gilt das sogenannte „Bruttoprinzip“. Dies bedeutet, dass Kosten, die der Täter beispielsweise für Herstellung und Vertrieb dieser Produkte aufwendet, nicht gewinnmindernd angerechnet werden. Durch die Anwendung des Bruttoprinzips schießt die Strafverfolgung nicht selten über das kriminalpolitische Ziel der Einziehung hinaus – mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen für den Betroffenen.
Zwar darf die endgültige Einziehung nur durch eine gerichtliche Entscheidung ergehen. Das Gesetz sieht jedoch schon im Ermittlungsverfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit des vorläufigen Vermögensarrests (sogenanntes Freezing) vor. Bei Gefahr im Verzug kann die Staatsanwaltschaft den Vermögensarrest auch selbst anordnen. Der Betroffene kann den Arrest (z.B. in Form einer Kontensperrung) abwenden, indem er den von der Staatsanwaltschaft festgesetzten Geldbetrag hinterlegt. Der Betroffene kann zudem isoliert gegen die Arrestanordnung vorgehen und deren gerichtliche Überprüfung herbeiführen. Sollte dies nicht schon zum Erfolg führen, kann der Betroffene wiederum Beschwerde einlegen. Dieses Vorgehen ist häufig erfolgsversprechend, wenn die Staatsanwaltschaft keine konkreten Gründe für den Arrest vorgebracht oder das Gericht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet hat.
Ein besonders scharfes Schwert hat der Gesetzgeber der Strafverfolgung mit der sogenannten „selbstständig erweiterten Einziehung“ an die Hand gegeben. Diese dient zur Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft und erfolgt losgelöst („selbstständig“) von einem Strafverfahren. Die selbstständig erweiterte Einziehung kommt zum Einsatz, wenn die Ermittlungsbehörde einen Vermögensgegenstand (zumeist Bargeld) unklarer Herkunft sicherstellt, der nach ihrer Ansicht aus einer Straftat stammt. Die Anforderungen an die selbstständig erweiterte Einziehung sind dabei gering. Es ist keine Verurteilung nötig, sondern es reicht bereits der Anfangsverdacht der Ermittler für eine Katalogtat aus § 76a Abs. 4 StGB (z.B. Geldwäsche) gegen den Betroffenen oder Dritte. Trotz Einstellung des Strafverfahrens kann also eine selbstständig erweiterte Einziehung angeordnet werden. Will der Betroffene gegen die Einziehung vorgehen, muss er nachweisen, dass er tatsächlich rechtmäßiger Inhaber des sichergestellten Vermögens ist. Diese faktische Umkehr der Unschuldsvermutung stellt Betroffene in der Praxis häufig vor Nachweisprobleme. Das Gericht verlangt detaillierte Auskünfte darüber, wie der Betroffene an das Vermögen gelangt ist, und unterzieht diese Auskünfte zudem einer Plausibilitätskontrolle. Aufgrund der Umgehung der Unschuldsvermutung und anderer rechtsstaatlicher Grundsätze gehen einige Stimmen von der Verfassungswidrigkeit der selbstständig erweiterten Einziehung aus.
Die selbstständig erweiterte Einziehung kommt häufig bei Kryptowährung zum Einsatz. Bei der Umwandlung größerer Summen Kryptowährung in Bargeld kann schnell der Verdacht von Steuerhinterziehung oder Geldwäsche im Raum stehen. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Kryptobörsen, die den Umtausch von Kryptowährung in FIAT-Währungen anbieten, sogar gesetzlich verpflichtet, Geldwäscheverdachtsmeldungen an die Behörden abzugeben. Die Staatsanwaltschaft zieht dann in der Regel die gesamte betroffene Wallet ein, sodass der Inhaber nicht mehr darauf zugreifen kann. Dies ist besonders bei einer zwischenzeitlichen Wertsteigerung und Verkaufsabsicht des Betroffenen ärgerlich. Wird das Verfahren letztendlich eingestellt, hat der Betroffene dann einen möglichen Anspruch auf Entschädigung nach dem Strafentschädigungsgesetz.
Auch im Unternehmensstrafrecht kann das Gericht bei der Verhängung einer Geldbuße gegen das Unternehmen den wirtschaftlichen Ertrag der Tat einziehen. Die Höhe der Geldbuße setzt sich dabei aus einem Abschöpfungs- und einem Ahndungsanteil zusammen. Das Gericht hat freies Ermessen darüber, wie es Abschöpfungs- und Ahndungsanteil gewichtet. Im Gegensatz zur Geldbuße, die auf fünf bzw. bei Vorsatz auf zehn Millionen Euro gedeckelt ist, kann dieses gesetzliche Höchstmaß bei der Vermögensabschöpfung überschritten werden. Dies führt im Einzelfall dazu, dass die Vermögensabschöpfung das Unternehmen wirtschaftlich weit mehr schädigt als die Geldbuße, wie der Fall VW zeigt. Im Zusammenhang mit dem Dieselskandal verhängte die Staatsanwaltschaft eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 800 Millionen, die sich aus einem Ahndungsteil von fünf Millionen Euro sowie einer Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile in Höhe von 795 Millionen Euro zusammensetzte. Anders als im Individualstrafrecht gilt im Bußgeldverfahren das Nettoprinzip, sodass der Abschöpfungsanteil solcher Geldbußen ertragssteuerlich grundsätzlich abzugsfähig ist.
Die Strafverteidigung in Fällen der selbstständig erweiterten Einziehung, dem Unternehmensstrafrecht oder sonstigen Fällen des Wirtschaftsstrafrechts, in denen eine Einziehung droht, bildet einen Beratungsschwerpunkt bei DREYENBERG. Unsere Strafverteidiger können die erhobenen Vorwürfe überprüfen und wirken auf eine möglichst schnelle Freigabe der eingezogenen Vermögenswerte ein. Wir beobachten, dass die Staatsanwaltschaften oft zu freizügig mit den Instrumenten der Einziehung und des Vermögensarrests umgehen. Im Fall der selbstständig erweiterten Einziehung gelingt es oftmals, die legale Herkunft der Barmittel nachzuweisen. Auch bei bereits abgeschlossenen Strafverfahren prüfen wir gerne, ob ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Strafentschädigungsgesetz besteht.
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